us dem FALTER 16/2014
Hat die Gemeinde Wien wertvolle Gründe in der Krieau zum Spottpreis an einen Privaten verscherbelt? Chronologie eines dubiosen Millionengeschäfts
BERICHT: JOSEPH GEPP
FOTO: HERIBERT CORN
Seit die Sportwetten-Fans lieber ins Wettcafé oder ins Internet gehen, ist es still geworden auf der Trabrennbahn Krieau. An guten Tagen kommen gerade einmal 3000 Besucher, nicht mehr 50.000 wie einst. Die denkmalgeschützten Stallungen bröckeln. Von drei historischen Tribünen sind zwei wegen Baufälligkeit gesperrt.
Die altehrwürdige Trabrennbahn im zweiten Bezirk, eröffnet 1878, wirkt wie aus der Zeit gefallen. Rundherum blüht das Viertel nördlich des Praters, seit im Jahr 2008 die U2 hierher verlängert wurde. Gleich neben der Rennbahn entstanden etwa in den vergangenen Jahren die neue Wirtschaftsuni, das Büroquartier Viertel Zwei und das Einkaufszentrum Stadion Center. Und mittendrin liegt die Krieau, verwaist und von Subventionen ihres Eigentümers abhängig, der Gemeinde Wien.
Nun wird ein Teil der Rennbahn verbaut. Ab kommendem Jahr sollen auf dem Areal Büros und freifinanzierte Wohnungen für 5000 Menschen entstehen, verkündete Wiens rot-grüne Stadtregierung Anfang März. Fertig werden soll das Projekt 2021. Die Rennbahn selbst bleibt erhalten, versichert das Rathaus. Die Neubauten sind am Rand der Anlage geplant, wo heute noch Stallungen und Freiflächen liegen.
Bauherr in der Krieau ist nicht die Stadt Wien, sondern ein privates Immobilienunternehmen namens IC Projektentwicklung. Vor zwei Jahren hat die Gemeinde die zu verbauenden Teile der Krieau an diese Firma verkauft. Die IC Projektentwicklung ist in der Gegend nicht unbekannt; sie hat bereits im Jahr 2010 das danebenliegende Büro-und Wohnungsareal Viertel Zwei errichtet. Dieses wird nun in Richtung Trabrennbahn erweitert.
Wer sich den Verkauf der Krieau-Gründe genauer anschaut, stößt auf einen Deal, der über viele Jahre läuft und dessen Umstände völlig unklar sind. Offenbar hat die Gemeinde die hochlukrativen Gründe viel zu billig verkauft, nicht zuletzt aufgrund gefinkelter Klauseln im Kaufvertrag von 2011, der dem Falter vorliegt. Laut diesem zahlt die IC Projektentwicklung für die Krieau-Gründe 300 Euro pro Quadratmeter bebauter Fläche. Das Geld fließt erst nach Fertigstellung des Projekts. Der gesamte Kaufpreis beträgt ungefähr 60 Millionen Euro. Das allein wäre laut Kritikern schon weit unter dem Marktwert für die begehrten Gründe, deren Größe circa einem Drittel des Wurstelpraters entspricht. Doch von den 60 Millionen werden noch hohe Summen abgezogen, etwa weil die Gemeinde Sanierungskosten für den privaten Partner übernimmt. Möglicherweise handelt es sich dabei um Dutzende Millionen Euro, die der Gemeinde – und damit dem Steuerzahler – entgehen. Oder gar um noch mehr. Darauf lässt zumindest ein Rathaus-internes Schreiben schließen, das dem Falter vorliegt.
Der Aktenvermerk stammt aus dem Jahr 2007. Im Vorfeld des Krieau-Verkaufs warnen darin Rathausbeamte die damaligen Chefs der Wien-Holding, Brigitte Jilka und Peter Hanke. Der Deal bedürfe sofort „einer Korrektur bzw. Auflösung“, steht in dem Schreiben. Grund: Weil sich der Käufer so viel vom Kaufpreis abziehen darf, stehe am Ende möglicherweise gar ein „deutlich negativer Kaufpreis“. Das heißt: Die Gemeinde zahlt schlimmstenfalls dafür, dass ihr eine Privatfirma lukrative Gründe abnimmt. Weil das nur ein „Irrtum“ sein könne, empfehlen die Beamten, „das Vertragsverhältnis wegen Irrtums anzufechten“. Die Warnung bleibt ungehört – der Deal wird einige Jahre später wie vorgesehen abgeschlossen.
Die Geschichte der Krieau zeigt, wie im Rathaus undurchsichtige Immobiliengeschäfte gemacht werden, bei denen die private Seite bemerkenswert gut aussteigt. Die Verträge sind hochkomplex. Die politischen Verantwortlichkeiten sind unklar, auch deshalb, weil die Vorgänge über viele Jahre laufen. Ausschreibungen gibt es nicht. Der Wiener Gemeinderat nickt die schwierigen Deals ab, durchschaut die Konstrukte aber nicht. Das Kontrollamt, Wiens Pendant zum Rechnungshof, kritisiert die Zustände, aber seine Empfehlungen verhallen ungehört. Aber der Reihe nach.
[Blockierte Grafik: https://geppbloggt.files.wordpress.com/2014/04/krieau_trb.jpg]Traber auf der Rennbahn: Heute kommen gerade 3000 Besucher hierher. Links im Hintergrund das neue Viertel Zwei (Foto: Joseph Gepp)
Die Geschichte des Krieau-Verkaufs beginnt im Jahr 2004 – und hat vorerst mit der Krieau wenig zu tun. Damals stehen die Vorbereitung für die Fußball-EM in Wien 2008 an. Wiens allein regierende SPÖ ruft deshalb unter viel Jubel eine große Public-private-Partnership ins Leben. Bis zur EM sollen rund um das Stadion im Prater viele Neubauten entstehen, etwa Viertel Zwei und Stadion Center. Dafür vorgesehene Gründe werden an private Investoren verkauft, die dort Gebäude errichten.
Hier kommt Michael Griesmayr ins Spiel, Gründer der IC Projektentwicklung („Integrated Communication“). Der Unternehmer, der in den 1990er-Jahren bei Raiffeisen Immobilienfinanzierungen managte, wird nun ein wichtiger Partner der Stadt. Griesmayrs Firma errichtet das 2010 fertiggestellte Viertel Zwei, das heute etwa die OMV-Zentrale beherbergt.
Später veröffentlicht das Kontrollamt einen vernichtenden Bericht über die Geschäfte der Gemeinde mit Griesmayr und anderen Privaten. Es sei schleierhaft, „warum gerade diese Investoren für das Projekt ausgewählt wurden“, heißt es darin. Weiters hätte ein „weit höherer Kaufpreis“ erzielt werden können als jene 32,1 Millionen Euro, um welche die Investoren die Grundstücke kauften. Statt einer öffentlichen Ausschreibung diente zur Preisermittlung lediglich ein „äußerst knapp ausgefallenes“ Gutachten der MA 69 für Immobilienmanagement, schreibt das Kontrollamt. Und überhaupt „entbehrt“ das Geschäft „in vielerlei Hinsicht kaufmännischer und juristischer Sorgfalt bzw. den üblichen Gepflogenheiten im Immobilienwesen“. Fazit: schlecht für die Stadt, gut für die Privaten.
Doch zurück zur Krieau – auch sie ist ein wichtiger Teil des Geschäfts von 2004. Griesmayrs IC Projektentwicklung bekommt nämlich ein kostenloses Vorkaufsrecht auf die Trabrennbahn, die praktischerweise gleich neben seinem geplanten Viertel Zwei liegt. Bis Ende 2012 darf sich der Geschäftsmann die Rennbahn kaufen, wenn er will. In der Öffentlichkeit verlieren die SPÖ-Stadtpolitiker über dieses vertragliche Vorkaufsrecht kein Wort. Während andere Projekte wie Viertel Zwei oder Stadion Center bejubelt werden, verrät keine Presseaussendung oder Werbebroschüre, dass auch die traditionsreiche Trabrennbahn einem Privaten überantwortet wurde. Und nicht nur die Öffentlichkeit bekommt den Krieau-Deal nicht mit, auch die Opposition im Rathaus durchschaut ihn nicht.
Zwar stimmt 2004 der Gemeinderat über das Geschäft ab. Doch das Vorkaufsrecht auf die Rennbahn bekommt pro forma nicht Griesmayrs Privatfirma, sondern eine andere, die zur Gänze der Gemeinde gehört: die Firma LSE („Liegenschaftsstrukturentwicklung“). Diese LSE ist jedoch nur ein Vehikel – sie reicht die Immobilie nach dem Kauf sofort an Griesmayr weiter. Warum diese Konstruktion? Wenn die LSE Geschäfte macht, bedarf dies im Gegensatz zu direkten Geschäften des Rathauses „nicht einer Genehmigung durch den Gemeinderat“, schreibt das Kontrollamt. Das bedeutet: Die Abgeordneten bekommen lediglich ein harmloses Geschäft zwischen Rathaus und Rathausfirma zu sehen – und merken nichts vom darauffolgenden, heiklen Deal zwischen Rathausfirma und Privatfirma.
[Blockierte Grafik: https://geppbloggt.files.wordpress.com/2014/04/krieau.jpg]Stallungen neben der Trabrennbahn: Unter anderem hier sollen ab 2015 Büros und
Hat die Gemeinde Wien wertvolle Gründe in der Krieau zum Spottpreis an einen Privaten verscherbelt? Chronologie eines dubiosen Millionengeschäfts
BERICHT: JOSEPH GEPP
FOTO: HERIBERT CORN
Seit die Sportwetten-Fans lieber ins Wettcafé oder ins Internet gehen, ist es still geworden auf der Trabrennbahn Krieau. An guten Tagen kommen gerade einmal 3000 Besucher, nicht mehr 50.000 wie einst. Die denkmalgeschützten Stallungen bröckeln. Von drei historischen Tribünen sind zwei wegen Baufälligkeit gesperrt.
Die altehrwürdige Trabrennbahn im zweiten Bezirk, eröffnet 1878, wirkt wie aus der Zeit gefallen. Rundherum blüht das Viertel nördlich des Praters, seit im Jahr 2008 die U2 hierher verlängert wurde. Gleich neben der Rennbahn entstanden etwa in den vergangenen Jahren die neue Wirtschaftsuni, das Büroquartier Viertel Zwei und das Einkaufszentrum Stadion Center. Und mittendrin liegt die Krieau, verwaist und von Subventionen ihres Eigentümers abhängig, der Gemeinde Wien.
Nun wird ein Teil der Rennbahn verbaut. Ab kommendem Jahr sollen auf dem Areal Büros und freifinanzierte Wohnungen für 5000 Menschen entstehen, verkündete Wiens rot-grüne Stadtregierung Anfang März. Fertig werden soll das Projekt 2021. Die Rennbahn selbst bleibt erhalten, versichert das Rathaus. Die Neubauten sind am Rand der Anlage geplant, wo heute noch Stallungen und Freiflächen liegen.
Bauherr in der Krieau ist nicht die Stadt Wien, sondern ein privates Immobilienunternehmen namens IC Projektentwicklung. Vor zwei Jahren hat die Gemeinde die zu verbauenden Teile der Krieau an diese Firma verkauft. Die IC Projektentwicklung ist in der Gegend nicht unbekannt; sie hat bereits im Jahr 2010 das danebenliegende Büro-und Wohnungsareal Viertel Zwei errichtet. Dieses wird nun in Richtung Trabrennbahn erweitert.
Wer sich den Verkauf der Krieau-Gründe genauer anschaut, stößt auf einen Deal, der über viele Jahre läuft und dessen Umstände völlig unklar sind. Offenbar hat die Gemeinde die hochlukrativen Gründe viel zu billig verkauft, nicht zuletzt aufgrund gefinkelter Klauseln im Kaufvertrag von 2011, der dem Falter vorliegt. Laut diesem zahlt die IC Projektentwicklung für die Krieau-Gründe 300 Euro pro Quadratmeter bebauter Fläche. Das Geld fließt erst nach Fertigstellung des Projekts. Der gesamte Kaufpreis beträgt ungefähr 60 Millionen Euro. Das allein wäre laut Kritikern schon weit unter dem Marktwert für die begehrten Gründe, deren Größe circa einem Drittel des Wurstelpraters entspricht. Doch von den 60 Millionen werden noch hohe Summen abgezogen, etwa weil die Gemeinde Sanierungskosten für den privaten Partner übernimmt. Möglicherweise handelt es sich dabei um Dutzende Millionen Euro, die der Gemeinde – und damit dem Steuerzahler – entgehen. Oder gar um noch mehr. Darauf lässt zumindest ein Rathaus-internes Schreiben schließen, das dem Falter vorliegt.
Der Aktenvermerk stammt aus dem Jahr 2007. Im Vorfeld des Krieau-Verkaufs warnen darin Rathausbeamte die damaligen Chefs der Wien-Holding, Brigitte Jilka und Peter Hanke. Der Deal bedürfe sofort „einer Korrektur bzw. Auflösung“, steht in dem Schreiben. Grund: Weil sich der Käufer so viel vom Kaufpreis abziehen darf, stehe am Ende möglicherweise gar ein „deutlich negativer Kaufpreis“. Das heißt: Die Gemeinde zahlt schlimmstenfalls dafür, dass ihr eine Privatfirma lukrative Gründe abnimmt. Weil das nur ein „Irrtum“ sein könne, empfehlen die Beamten, „das Vertragsverhältnis wegen Irrtums anzufechten“. Die Warnung bleibt ungehört – der Deal wird einige Jahre später wie vorgesehen abgeschlossen.
Die Geschichte der Krieau zeigt, wie im Rathaus undurchsichtige Immobiliengeschäfte gemacht werden, bei denen die private Seite bemerkenswert gut aussteigt. Die Verträge sind hochkomplex. Die politischen Verantwortlichkeiten sind unklar, auch deshalb, weil die Vorgänge über viele Jahre laufen. Ausschreibungen gibt es nicht. Der Wiener Gemeinderat nickt die schwierigen Deals ab, durchschaut die Konstrukte aber nicht. Das Kontrollamt, Wiens Pendant zum Rechnungshof, kritisiert die Zustände, aber seine Empfehlungen verhallen ungehört. Aber der Reihe nach.
[Blockierte Grafik: https://geppbloggt.files.wordpress.com/2014/04/krieau_trb.jpg]Traber auf der Rennbahn: Heute kommen gerade 3000 Besucher hierher. Links im Hintergrund das neue Viertel Zwei (Foto: Joseph Gepp)
Die Geschichte des Krieau-Verkaufs beginnt im Jahr 2004 – und hat vorerst mit der Krieau wenig zu tun. Damals stehen die Vorbereitung für die Fußball-EM in Wien 2008 an. Wiens allein regierende SPÖ ruft deshalb unter viel Jubel eine große Public-private-Partnership ins Leben. Bis zur EM sollen rund um das Stadion im Prater viele Neubauten entstehen, etwa Viertel Zwei und Stadion Center. Dafür vorgesehene Gründe werden an private Investoren verkauft, die dort Gebäude errichten.
Hier kommt Michael Griesmayr ins Spiel, Gründer der IC Projektentwicklung („Integrated Communication“). Der Unternehmer, der in den 1990er-Jahren bei Raiffeisen Immobilienfinanzierungen managte, wird nun ein wichtiger Partner der Stadt. Griesmayrs Firma errichtet das 2010 fertiggestellte Viertel Zwei, das heute etwa die OMV-Zentrale beherbergt.
Später veröffentlicht das Kontrollamt einen vernichtenden Bericht über die Geschäfte der Gemeinde mit Griesmayr und anderen Privaten. Es sei schleierhaft, „warum gerade diese Investoren für das Projekt ausgewählt wurden“, heißt es darin. Weiters hätte ein „weit höherer Kaufpreis“ erzielt werden können als jene 32,1 Millionen Euro, um welche die Investoren die Grundstücke kauften. Statt einer öffentlichen Ausschreibung diente zur Preisermittlung lediglich ein „äußerst knapp ausgefallenes“ Gutachten der MA 69 für Immobilienmanagement, schreibt das Kontrollamt. Und überhaupt „entbehrt“ das Geschäft „in vielerlei Hinsicht kaufmännischer und juristischer Sorgfalt bzw. den üblichen Gepflogenheiten im Immobilienwesen“. Fazit: schlecht für die Stadt, gut für die Privaten.
Doch zurück zur Krieau – auch sie ist ein wichtiger Teil des Geschäfts von 2004. Griesmayrs IC Projektentwicklung bekommt nämlich ein kostenloses Vorkaufsrecht auf die Trabrennbahn, die praktischerweise gleich neben seinem geplanten Viertel Zwei liegt. Bis Ende 2012 darf sich der Geschäftsmann die Rennbahn kaufen, wenn er will. In der Öffentlichkeit verlieren die SPÖ-Stadtpolitiker über dieses vertragliche Vorkaufsrecht kein Wort. Während andere Projekte wie Viertel Zwei oder Stadion Center bejubelt werden, verrät keine Presseaussendung oder Werbebroschüre, dass auch die traditionsreiche Trabrennbahn einem Privaten überantwortet wurde. Und nicht nur die Öffentlichkeit bekommt den Krieau-Deal nicht mit, auch die Opposition im Rathaus durchschaut ihn nicht.
Zwar stimmt 2004 der Gemeinderat über das Geschäft ab. Doch das Vorkaufsrecht auf die Rennbahn bekommt pro forma nicht Griesmayrs Privatfirma, sondern eine andere, die zur Gänze der Gemeinde gehört: die Firma LSE („Liegenschaftsstrukturentwicklung“). Diese LSE ist jedoch nur ein Vehikel – sie reicht die Immobilie nach dem Kauf sofort an Griesmayr weiter. Warum diese Konstruktion? Wenn die LSE Geschäfte macht, bedarf dies im Gegensatz zu direkten Geschäften des Rathauses „nicht einer Genehmigung durch den Gemeinderat“, schreibt das Kontrollamt. Das bedeutet: Die Abgeordneten bekommen lediglich ein harmloses Geschäft zwischen Rathaus und Rathausfirma zu sehen – und merken nichts vom darauffolgenden, heiklen Deal zwischen Rathausfirma und Privatfirma.
[Blockierte Grafik: https://geppbloggt.files.wordpress.com/2014/04/krieau.jpg]Stallungen neben der Trabrennbahn: Unter anderem hier sollen ab 2015 Büros und